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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783963620393
Sprache: Deutsch
Umfang: 440 S.
Format (T/L/B): 3.7 x 20.5 x 13.5 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Carnton Plantage, Franklin,1864: Lizzie Clouston ist Hauslehrerin auf der Südstaaten-Plantage der Familie McGavock und eine heimliche Gegnerin der Sklaverei. Voller Hingabe widmet sie sich der Erziehung ihrer kleinen Schützlinge, sehnt sich jedoch danach, bald ihre eigene Familie zu gründen. Sie ist mit ihrem Kindheitsfreund Towny verlobt, doch irgendetwas lässt Lizzie zögern. Als das beschauliche Carnton unerwartet von den Wirren des Bürgerkriegs heimgesucht wird, gerät Lizzies Welt schlagartig aus den Fugen. Einfühlsam kümmert sie sich um die verwundeten Soldaten, unter ihnen auch der gutaussehende und charmante Hauptmann Roland Jones, der in Lizzie nie gekannte Gefühle weckt. Doch was ist mit Towny? Ihr Gefühlschaos ist komplett, als sie erfährt, dass Roland ein Sklavenhalter ist. Und ausgerechnet er begleitet sie nun auf der gefährlichen Mission, den letzten Wunsch eines sterbenden Soldaten zu erfüllen

Autorenportrait

Tamera Alexander ist für ihre historischen Romane schon mehrfach mit dem Christy Award ausgezeichnet worden, dem bedeutendsten christlichen Buchpreis in den USA. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei erwachsenen Kindern in Nashville.

Leseprobe

Kapitel 1 30. November 1864 CarntonPlantage Franklin, Tennessee 35 km südlich von Nashville Und das hier, Kinder, ist eine Zeichnung von der Großen Pyramide von Gizeh in Ägypten. Dieses Land ist sehr weit von Franklin, Tennessee, entfernt. Lizzie sah die Faszination in den Augen der kleinen Hattie und ihrer Cousine Sallie, die aus Nashville zu Besuch gekommen war. Aber der siebenjährige Winder schaute nur gelangweilt aus dem Fenster. Lizzie senkte die Stimme. In dieser Pyramide sind ein Pharao, das ist ein mächtiger ägyptischer König, und seine Königin begraben. In ihr gibt es viele Geheimkammern. Winders Kopf fuhr herum. Geheimkammern? Sie nickte. Archäologen haben vor Kurzem einige neue Kammern im oberen Teil der Pyramide gefunden. Sie waren über viele Jahrhunderte verborgen. Schaut euch diese Zeichnung an Während sie die Kinder weiter unterrichtete, warf sie unauffällig einen Blick auf die Uhr, die auf einem Seitentisch stand, und rechnete damit, dass Tempy jeden Moment etwas für die Kinder zu essen bringen würde. Ein fast sommerlicher, leichter Wind bewegte die Vorhänge vor der offenen Tür, die auf einen Balkon im ersten Stockwerk hinausführte. Der Sonnenschein und die Wärme waren verlockend. Vielleicht würde sie das schöne Wetter nutzen und den Nachmittagsunterricht unter dem Milchorangenbaum vor dem Haus halten. Nach so vielen Wochen mit Regen und Kälte war das milde Wetter eine willkommene Abwechslung. Besonders um diese Jahreszeit, Ende November. Einige Momente später hörte sie Tempys Schritte auf der Treppe. Danke, dass ihr so gut aufgepasst habt, Kinder. Und danke für eure ausgezeichneten Fragen, Mädchen. Jetzt ist Zeit für eine Pause! Tempy klopfte zweimal an die Tür, bevor sie eintrat. Guten Morgen, Kinder! Winder hüpfte von seinem Stuhl. Was gibt es zu essen, Tempy? Lizzie räusperte sich und schaute ihn vielsagend an. Ich meine natürlich: Danke, Tempy, für das Essen, das du gemacht hast, verbesserte er sich, versuchte aber immer noch, sich nach oben zu strecken und über den Rand des Tabletts zu spähen. Tempy zwinkerte ihm zu und stellte das Tablett auf den Tisch. Ich habe heute Morgen für alle Zimtbrötchen gemacht, Master Winder. Bedient euch. Und trinkt ein Glas Milch. Sie schloss die Mädchen in ihr Kopfnicken ein. Die Kinder nahmen schnell ihr Essen und liefen auf den Balkon hinaus, der einen großzügigen Blick über das Gelände vor dem Haus bot. Miss Clouston, ich habe Ihnen auch ein Brötchen mitgebracht, Maam. Lizzie nahm das Brötchen dankbar an und biss hinein. Sie seufzte entzückt und schloss für einen Moment die Augen. Das Brötchen, das frisch aus dem Ofen kam und deshalb noch ganz warm war, zerschmolz fast auf der Zunge. Der Zuckerguss, der daraufgestrichen war, schmeckte himmlisch süß. Diese Brötchen schmecken noch besser als sonst. Danke. Gerne, Maam. Tempy betrachtete den Globus auf dem Tisch und schüttelte den Kopf. Schauen Sie sich nur diese vielen Länder an. Kaum zu glauben, was es auf der Welt alles gibt. Lizzie hörte in der Stimme der Frau etwas, das wie Sehnsucht klang. Ihr war schon öfter aufgefallen, dass Tempy den Globus anschaute, aber bisher hatte sie nie etwas dazu gesagt. Lizzie wischte sich sorgfältig den Zuckerguss von den Fingern und drehte den Globus, um ihr Nordamerika zu zeigen. Dann deutete sie auf Tennessee. Hier sind wir. Und hier, sie drehte den Globus erneut und deutete auf die nordöstliche Ecke Afrikas, befindet sich diese Pyramide. Lizzie hielt die Zeichnung hoch und erzählte ihr eine Kurzfassung von dem, was sie die Kinder gelehrt hatte. Sie steht in einem Land, das Ägypten heißt. Tempy schaute sie fragend an. Sie sagen, dass in diesem Ding ein vornehmer König beerdigt ist? Lizzie nickte. Zusammen mit seiner Königin. Hmm. Auf dieser Kugel sieht es gar nicht so weit weg aus, aber ich schätze, wir würden eine Weile brauchen, bis wir dort sind. Ja, eine sehr lange Weile. Und wir müssten dazu einen Ozean überqueren. Lizzie zeichnete eine unsichtbare Linie von Tennessee über den Atlantik bis nach Ägypten und der Gegend von Gizeh. Tempy schüttelte den Kopf. Gott hat so eine große Welt geschaffen. Wie hat er sich das alles nur ausdenken können! Lizzie bewegte den Finger von Ägypten aus ein kleines Stück nach rechts, da sie wusste, dass sich Tempy darüber freuen würde. Siehst du dieses winzige Land hier? Tempy kniff die Augen zusammen. Ja, Maam. Es ist so klein, dass man es kaum erkennen kann. Das ist Palästina. Hier wurde Jesus geboren und hier hat er gelebt, als er auf der Erde war. Palästina, wiederholte Tempy langsam und sagte das Wort noch zweimal, als wollte sie es auf ihren Lippen fühlen. Ich habe gehört, dass er in einem Ort geboren wurde, der Bethlehem hieß. Lizzie nickte. Das stimmt. Bethlehem liegt in diesem Gebiet. Tempy betrachtete die Stelle auf dem Globus sehr lange. Dann fuhr sie ehrfürchtig staunend mit ihrem von Arthrose geplagten Finger darüber. Nicht zum ersten Mal meldete sich Lizzies Gewissen und sie spürte eine deutliche Aufforderung. Laut Tempys eigenen Worten lebte die alte Frau schon seit Ewigkeiten auf Carnton, wo sie als Köchin für die McGavocks arbeitete. Lizzie hatte Tempy schon oft Fragen über ihr Leben stellen wollen. Über ihre Meinung zu diesem Krieg. Und sie hatte sie darauf ansprechen wollen, dass sie die einzige Sklavin war, die sich noch hier befand, nachdem Oberst McGavock die anderen 38 Sklaven bereits vor drei Jahren in den Süden geschickt hatte, weit weg von der Unionsarmee, die sie sonst befreit hätte. Sie war sicher, dass Tempy die Gelegenheit, lesen zu lernen, sofort ergreifen würde. Aber es verstieß gegen das Gesetz, eine Sklavin lesen und schreiben zu lehren. Wenigstens hier im Süden. Die von Präsident Lincoln vor fast zwei Jahren erlassene Emanzipationsproklamation hatte in dieser Hinsicht kaum etwas geändert. Deshalb hatte Lizzie das nie angeboten. Und in den acht Jahren, die sie hier auf Carnton lebte und arbeitete, hatte sie Tempy noch nie anvertraut, was sie über Sklaverei dachte. Dazu hatte sie nicht den nötigen Mut aufgebracht. Immerhin war Sklaverei kein Thema, über das eine anständig erzogene Frau sprechen durfte. Schon gar nicht gegenüber einer Sklavin. Was würde es schon ändern, wenn sie ihre Meinung kundtäte? Sie war Gouvernante und keine Landbesitzerin. Sie hatte kein Wahlrecht. Sie war nicht einmal Herrin in ihrem eigenen Haus. Wenigstens noch nicht. Sie hatte keine Stimme. Falls sie ihre Meinung äußern würde, triebe das nur einen Keil zwischen sie und die Familie McGavock und sie wollte diese Beziehung, die ihr sehr wichtig war, nicht gefährden. Es könnte sie ihre Stelle hier auf Carnton kosten, wenn sie ihre Meinung unumwunden verkündete. Das konnte sie sich nicht leisten, schon gar nicht jetzt, da Krieg herrschte. Trotzdem regte sich in ihr eine gewisse Scham, als sie über die Gründe für ihr Schweigen nachdachte. Manchmal fragte sie sich, ob sie nicht vor Jahren in den Norden hätte gehen sollen. Sie hätte sich eine Stelle bei einer Familie in Boston oder Philadelphia suchen können. Aber dazu hätte sie ihre Familie, ihre Freunde, alles, was sie kannte, zurücklassen müssen. Also war sie geblieben und versuchte, sich nicht mit etwas aufzuhalten, das sie nicht ändern konnte. Sie erzählen den Kindern von all diesen Orten, Maam? Tempy warf wieder einen Blick auf den Globus. Ich versuche es. Aber an einem so schönen Tag lassen sie sich viel zu leicht ablenken. Solche Tage wie heute gibt es nicht oft und schon gar nicht um diese Jahreszeit. Lizzie tupfte ihre Mundwinkel ab, um sicherzugehen, dass kein Zuckerguss mehr daran klebte. Dann senkte sie die Stimme, da die Balkontür offen stand. Ich denke daran, den Nachmittagsunterricht nach draußen zu verlegen. Wenn Sie wollen, Maam, könnte ich Ihnen ein Picknick einpacken. Dann könnten Sie mit den Kindern draußen essen. Lizzie nickte. Das ist eine wunderbare Idee! Ich stelle den Kindern das Picknick als Belohnung in Aussicht, wenn sie bis dahin gut aufpassen. D...